Anschuss an einem Mittwoch Morgen. Die Sau stand frei auf einem Stoppel Acker. Am Anschuss war etwas Schweiß zu finden. Die Sau flüchtete durch ein schmales Wäldchen über eine Wiese in eine, dem Anschuss gegenüberliegende, Dickung. Auf der Fluchtfährte war noch etwas Schweiß zu sehen, so die Angabe des Schützen. Am Nachmittag wurde mit einem Hund die Nachsuche aufgenommen, jedoch ohne Ergebnis. Am nächsten Tag wurde mit einem weiteren Hund und einigen Jagdfreunden, darunter auch ein Nachbar und Inhaber eines Reviers, den ich kannte und für den ich schon einige Nachsuchen gemacht hatte, weiter gesucht. Am Freitag Vormittag wurde die Nachsuche erneut aufgenommen. Am Abend war die Sau immer noch nicht gefunden. Mein Jagdfreund schlug dem Jagdpächter vor den Walter Salzmann mit seinem BGS anzufordern. Zunächst war man der Meinung, dass es keinen Sinn hätte mich anzufordern, da schon mehrere Tage verstrichen waren und es immerhin um eine An- und Abfahrt von ca. 160 km gehe. Mein Freund bestand darauf mich zu holen. In der Zeitschrift „PIRSCH“ stand: Als nichts mehr ging, haben wir uns entschlossen den Nachsuche-Experten aus der Pfalz (der ich natürlich nicht bin) anzufordern.
Am Samstag Morgen klingelte gegen 9.30 h das Telefon. Ich lies mir den Vorgang schildern und erschrak als ich vom Verlauf der erfolglosen Nachsuchen hörte. In der Nacht von Freitag auf Samstag setzte auch noch Schneeregen ein. Spontan sagte ich, dass es nach so langer Zeit und den mehrfachen Suchen keine große Chance mehr gäbe die Sau zu finden. Der Revierinhaber überbrachte diese Nachricht meinem Jagdfreund. Eine halbe Stunde später rief der Revierinhaber wieder an: „Viele Grüße vom Jagdfreund und ich solle ihm persönlich doch den Gefallen tun und meinen Hund auf die Nachsuche ansetzen.“ Moralisch verpflichtet machte ich mich mit meinem BGS auf den Weg. Unterwegs sagte ich zu meinem Bill: „Heute wirst du auf eine harte Probe gestellt.“ Mein Hund war voller Freude und seine Rute sagte mir: wir schaffen das schon! Um 13:30 h stand der Schütze auf dem vereinbarten Platz und wir fuhren ins Revier. Ich legte meinen Hund ca. 25 m vom Anschuss ab und lies mir den Anschuss zeigen. Kein einziges Pirsch Zeichen, nicht einmal ein Boden Abdruck der Sau war auszumachen. Inzwischen war mein Bill hoch motiviert und voller Spannung. Ich holte meinen Hund ab und er zeigte mir, wie gewohnt, den Anschuss, den er in aller Ruhe untersuchte. Schließlich nahm Bill die Fährte in Richtung Dickung auf. Als wir durch das Wäldchen kamen sah ich die Wiese und die Dickung, die in den letzten 3 Tagen durchgeackert wurde.
Ich blieb mit Bill stehen und sah mir das Gelände in Ruhe an. Dann überlegte ich, ob ich die Dickung rechts oder links herum umschlage. Der Schütze und Hundeführer sagte, dass ich davon ausgehen könne, dass die Sau die Dickung angenommen hätte und auch darin liegen müsse. Die Sau hätte breit gestanden und er wäre gut abgekommen, der Schweiß würde dies auch bestätigen. Ich sagte ihm: Ihr habt die Dickung mit mehreren Hunden und Jägern 3 Tage durchforstet und ich gehe davon aus, dass die Sau schon längst die Dickung verlassen hat. Als Antwort bekam ich: „Wenn Du meinst, Du bist der Schweißhund Führer.“ Ich entschied mich für die rechte Seite ca. 30 m von der Dickung entfernt. Wie das so ist: die falsche Seite. Der Grund warum ich die Dickung rechts herum wählte war erstens, dass ich nicht wusste in welche Richtung die Sau die Dickung verlassen hatte und zum anderen, dass links, auf der schmalen Seite der Dickung eine sehr große eingezäunte Wiese mit viel Vieh zu sehen war. Schließlich landeten wir, nachdem wir die Dickung umschlagen hatten, ca. 30m von der Dickung entfernt auf der Wiese. Mein Hund blieb stehen, ging mit seiner Nase in den aufgeweichten Boden. Seine Rute schlug voller Begeisterung als wollte er mir sagen: komm her, hier war die Sau. Mein BGS nahm die Fährte hochmotiviert auf. Zunächst ging es über die Wiese und durch ein verrostetes Eisentor. Das Vieh hatte sich mittlerweile in eine andere Ecke verzogen. Bill war schon durch eine schmale Öffnung im Tor geschlüpft und wartete auf mich. Wir standen auf einem matschigen Weg mit zig Verleitungen, bedingt durch die Dickung mit allerlei Wild und dem Vieh von der Weide. Nach ca. 100 m verließ Bill den Weg nach links über eine Wiese und durch ein altes Regenrückhaltebecken in dem noch etwas Wasser stand.
Meine Stiefel waren mittlerweile mit Wasser gefüllt. Nach ca. 2 km kamen wir an einen Bauernhof. Wir gingen eng an einer weiß gestrichenen Wand entlang. Zwischendurch legte ich Ruhepausen ein. Meinen Hund legte ich direkt auf der Fährte ab und setzte mich zu ihm. Lob und sein Lieblingsleckerli (Lyoner) nahm er mit Freude an (Leberwurst lehnte er aber auch nicht ab). Bill hielt es nicht lange auf seinem Platz und er nahm die Fährte konzentriert wieder auf. Die Nachsuche ging weiter durch Feld und Flur ohne Bestätigung. Mein Nachsuche Begleiter sagte mehrmals: „Du hast doch nach einer so langen Strecke mit Wasserrückhaltebecken usw. noch keine Bestätigung, hat es noch Sinn weiter zu suchen?“ Ich antwortete: „Solange mein Hund konzentriert und motiviert seine Nase am Boden hat, so lange wird die Nachsuche nicht abgebrochen.“ Schließlich kamen wir an eine Hauptverkehrsstraße und warteten bis wir die Straße überqueren konnten. Wir liefen eine ca. 1m steile Böschung hinunter auf eine Wiese, an die sich ein Acker anschloss. In der Ferne sah ich einen Wald. Mein Begleiter wohnt in dieser Gegend und meinte, dass vor 2 Jahren in diesem Wald ein Sturm einen sehr großen Schaden angerichtete hätte. Am Waldrand angekommen sahen wir an der gesamten Länge ein Dornengeflecht, ca. 30 m breit. Bill zeigte mir ein kleines Loch, in das er hinein wollte. Mir war klar, dass die Sau dort hinein geflüchtet sein musste. Wir umschlugen diesen Dornenverhau und gingen wieder in den Wald in Richtung des Loches. Bäume lagen kreuz und quer am Boden. In ca. 40 m Entfernung sah ich eine Suhle mit etwas Wasser gefüllt. am Rand schwarze Erde. Dort stellte ich frische Bodenabdrücke einer Sau fest. Was ich nicht begreifen konnte war, dass zwischen den Hinterhämmern eine kleine Schleifspur zu sehen war. So etwas hatte ich, trotz hunderter Nachsuchen, noch nie gesehen Bill wurde heftiger und fand sofort den Abgang. 60 m entfernt sah ich für einen kurzen Augenblick eine Sau rechts abbiegen, allerdings sehr langsam. Bill hatte noch den langen Riemen. In diesem Moment war mir zu 100% klar, dass es sich nur um die kranke Sau handeln konnte und schnallte Bill. Bill bog ebenfalls nach rechts ab. So schnell ich konnte rannte ich hinterher. Nach kurzer Zeit hörte und sah ich auch, dass Bill die Sau packte. Aus nächster Entfernung hielt ich den Lauf hinter den Teller und erlöste die wirklich arme Sau von sicherlich enormen Schmerzen. Ich sah, was ich noch nie gesehen hatte. Zwischen den Hinterhämmern (Schleifspur an der Suhle) ein Ballon ähnliches Gebilde. Aus unerklärlichen Gründen wurde die Sau spitz von hinten getroffen.
Das Geschoss hatte die Brunftkugeln durchschlagen und steckte in der Keule (siehe Foto des Überläufers). Mein Begleiter, der Schütze, weinte vor Freude und Glück und konnte deshalb seinem Jagdhorn keinen einzigen Ton entlocken. Er fiel mir um den Hals und bedankte sich aufrichtig. Er konnte sich diesen Schuss zwischen die Hämmer nicht erklären. Im übrigen wurde die Nachsuche Strecke auf ca. 10 km Länge geschätzt. Der Schütze ist als waidgerechter Jäger bekannt. Es war eben ein unglücklicher Jagdtag für Ihn. Am Ende einer sehr schwierigen, aber doch erfolgreichen Nachsuche, weil wir den Überläufer doch noch von seinen Schmerzen erlösen konnten, waren wir beide überglücklich. Am Abend sagte ich allen anwesenden Jagdfreunden, dass nach einer Fehlsuche, so schnell wie möglich (am Abend, nachts oder in der Früh) ein Nachsuche Führer mit einem erfahrenen Hund anzufordern ist.